Ende Mai kam es zur Publikation eines Analyseberichts.durch vier europäische Forscher, namentlich Pauline Gandré, Mike Mariathasan, Ouarda Merrouche und Steven Ongena, der zu keinem sonderlich großen Echo in der Mainstream-Presse geführt hat, obwohl die aus diesem Bericht resultierenden Ergebnisse doch recht besorgniserregend anmuten.

Der Analysebericht der vier genannten Autoren beschäftigt sich mit einigen der größten Banken an der New Yorker Wall Street, wobei im Zuge der globalen Finanzkrise zwischen den Jahren 2007 und 2010 jedem einzelnen der untersuchten Institute heimliche Bailouts durch die Federal Reserve zuteilwurden. Hierauf gehe ich im Fortlauf noch ein.

Es erweckt den Anschein, als ob eben jene Bailouts große Money Center Banken in den USA dazu verleiten würden, das System einmal mehr zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Es scheint unter Amerikas Großbanken jedenfalls kein großes Interesse daran zu herrschen, sich an die im Jahr 2010 in den USA verabschiedete Finanzmarktreform nach Dodd/Frank anzupassen.

Ganz im Gegenteil wird vielmehr der beständige Versuch unternommen, sich den angesichts von Dodd/Frank ehedem verschärften Finanzmarktregularien dauerhaft zu entziehen, indem Wall-Street-Großbanken vor allem ihren Zinsderivatehandel ganz einfach über ausländische Tochterfirmen, deren Aktivitäten nicht durch die in den Vereinigten Staaten verabschiedeten Regelverschärfungen berührt werden, abwickeln.

Selbstverständlich suchen sich Amerikas Mega-Banken hauptsächlich jene Jurisdiktionen zur ungenierten Fortführung ihres Derivatehandels heraus, die sich auf globaler Ebene am wenigsten reguliert sehen.

Ergebnis der eingangs verlinkten Untersuchung ist, dass Amerikas Banken ihre in der Heimat gehaltenen Derivatepositionen deutlich abgebaut haben, während deren Handel in Japan, Großbritannien, Australien, Brasilien, China, Hongkong und Mexiko seit dem Jahr 2010 bedeutsam zugenommen hat.

Dies soll laut des Analyseberichts in hohem Maße auf die Citigroup, die im Jahr 2008 durch gemeinsame Interventionen der Federal Reserve, des US-Finanzministeriums und der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) durch mehr als 345 Milliarden US-Dollar an direkten Injektionen und staatlichen Garantien vor einem unmittelbaren Kollaps bewahrt worden ist, zutreffen.

Zusätzlich unterstützte die Federal Reserve Citi zwischen den Jahren 2007 und Mitte 2010 mittels einer heimlichen Kreditvergabe – zu einem Zinssatz, der zum damaligen Zeitpunkt unterhalb der gängigen Marktzinssätze lag – in Höhe von insgesamt 2,5 Billionen US-Dollar (!), wie es ehedem in einem Prüfbericht des Government Accountability Office (GAO) hieß, auf dessen Basis unter anderem der demokratische Senator Bernie Sanders seine Attacken gegen die großen Wall-Street-Banken führt.

Noch im vierten Quartal des Jahres 2010 habe Citi über Töchter im Ausland hiernach überhaupt keinen nennenswerten Derivatehandel betrieben. Dies änderte sich jedoch nachhaltig bis zum vierten Quartal des Jahres 2015, in dem Citi den eigenen Derivatehandel zu einem Grad von über 60 Prozent über Auslandstöchter betrieben hat.

Auch im Fall von JPMorganChase habe sich in besagtem Zeitraum eine ähnliche Entwicklung vollzogen – und zwar von ehedem nahe null auf über vierzig Prozent. Goldman Sachs und Morgan Stanley dürfen in diesem Reigen selbstverständlich nicht fehlen. Auch unter diesen beiden Instituten habe sich der Derivatehandel über Auslandstöchter im Berichtszeitraum mehr als verdoppelt, so das Papier.

Unter Bezugnahme auf einen ehedem veröffentlichten Bericht der Untersuchungskommission zu den Ursachen der globalen Finanzkrise (FCIC), hätten sich zum Zeitpunkt des Kollapses von Lehman Brothers am 15. September 2008 mehr als 920.000 ausstehende Kontrakte im Derivatehandel ausmachen lassen, für die Citi als Emittent gegenüber Drittparteien an der Wall Street geradegestanden habe.

Auch im Fall von Lehman Brothers, JPMorganChase, Morgan Stanley und Goldman Sachs sah es zum damaligen Zeitpunkt nicht viel anders aus. Es handelt sich um dieselben Institute, die nun den Versuch einer Umgehung der Regularien unternehmen, welche in der im Jahr 2010 in den USA verabschiedeten Finanzmarktreform nach Dodd/Frank festgeschrieben wurden.

Aus dem damaligen Bericht der FCIC ging zudem hervor, welch ein enormes Casino-Rad vor allem Goldman Sachs im Derivatebereich bis zum Juni des Jahres 2008 gedreht hatte. Danach habe Goldman Sachs in vielen Fällen hochgefährliche Kredit- und Zinsderivate gehandelt, die sich auf damals nominaler Basis auf unglaubliche 5,1 Billionen US-Dollar (!) beliefen.

Im Zuge des Zusammenbruchs von Lehman Brothers wurden nahezu alle Drittparteien der mit Goldman Sachs im Derivatehandel aktiven Marktakteure mittels einer heimlichen und vor der amerikanischen Öffentlichkeit verborgenen Notkreditvergabe durch die Federal Reserve am Leben erhalten.

Die Verabschiedung der Finanzmarktreform nach Dodd/Frank hatte im Jahr 2010 zum Ziel, Depot- und Kundeneinlagebanken in der Zukunft daran zu hindern, sich am hoch gefährlichen Derivatehandel zu beteiligen. Dies gilt insbesondere unter der Prämisse von Millionen von Zwangsversteigerungen an den amerikanischen Häusermärkten im Zuge der globalen Banken- und Finanzkrise und Millionen von sich hieran anschließenden Arbeitsplatzverlusten.

Zusätzlich hätte es nach Verabschiedung der Finanzmarktreform nach Dodd/Frank seitdem zu einer gesetzlich verpflichtenden Zentralabwicklung von sogenannten Over-the-Counter-Derivaten durch die jeweils beteiligten Kontrakthalter kommen müssen, um zu verhindern, dass von diesem Bereich in der Zukunft nochmals eine Bedrohung für das Weltfinanzsystem ausgehen würde.

Doch was ist in der Realität geschehen? Das Office of the Comptroller of the Currency hat hierauf eine Antwort, nachdem Ende März des laufenden Jahres berichtet wurde, dass im 1. Quartal 2020 gerade einmal ein Anteil von 42,3 Prozent aller unter Banken in den USA gehaltenen Derivatepositionen über eine zentrale Clearing-Stelle abgewickelt wurden.

Aus Sicht des Handels mit Zinsderivaten belief sich dieser Anteil auf knapp 53 Prozent. Ganz anders verhält es sich im Bereich der Währungsderivate, in dem es bis zum jetzigen Zeitpunkt kaum zu irgendwelchen zentral abgewickelten Geschäften über eine zentrale Clearing-Stelle gekommen sei.

Die Administration von Präsident Donald Trump hat diese Entwicklung bislang nicht auf den Plan gerufen. Es wurden bislang – mit gelegentlichen Ausnahmen von geringer Bedeutung – auch kaum irgendwelche Strafen verhängt, sondern ganz im Gegenteil der beständige Versuch unternommen, die Finanzmarktreform nach Dodd/Frank in einem sich verstärkenden Maße auszuhebeln.

Am 26. Juni des laufenden Jahres <link wirtschaftsfacts beitrag us-banken-aufweichung-der-volcker-regel-wirft-fragen-auf>hatte ich Ihnen berichtet, dass die inzwischen beschlossene Aufweichung der sogenannten Volcker-Regel bedeutsame Fragen aufwirft.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Wir stehen ein Jahrzehnt nach der bis dato größten Banken- und Finanzkrise in der Nachkriegszeit – und wer weiß, was jetzt unmittelbar bevorstehen mag. Doch haben die Vereinigten Staaten trotz einer auf dem Papier verabschiedeten Finanzmarktreform kaum etwas bis überhaupt nichts Handfestes vorzuweisen, um die Mega-Banken an der Wall Street in ihre Schranken zu weisen.

Ich gelange einmal mehr zu dem Fazit, dass ohne eine Re-Institutionalisierung des einst unter der Regentschaft von Präsident Bill Clinton aufgehobenen Glass/Steagall-Gesetzes dieselben Probleme in einem sich immer stärker ausweitenden Ausmaß anhalten werden. Solange es den Banken an der Wall Street möglich und erlaubt sein wird, die eigenen Kontenkunden im Notfall als Geiseln zu nehmen, um staatlichen Institutionen Bailouts in einem immer höheren Ausmaß abzupressen, wird sich die finanzielle Ausplünderung des Landes zugunsten des einen Prozent an der Gesellschaftsspitze fortsetzen – und zwar solange, bis es zu einer Umsetzung von Reformen zu spät sein wird.

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